Die Hexereimandate Fürstbischof Ehrenbergs. Ochsenfurt in den Protokollen des Domkapitels III

Philipp Adolf von Ehrenberg, Fürstbischof von Würzburg 1623-1631. Detail aus einem Ölgemälde von Hans Ulrich Büeler aus dem Jahr 1623 im Museum für Franken via wikimedia commons.

Auf den Bericht über den Auftritt des Kanzlers im Domkapitel im Mai 1627, mit dem der letzte Beitrag schloss, folgt im Protokoll des Kapitels ein längerer Text: Es ist das Mandat des Fürstbischofs Ehrenberg zur Hexenverfolgung und zur Konfiskation des Besitzes der Hexen, das der Kanzler vorgestellt hatte.

Der Text ist ebenso schwer verständlich wie schwer verdaulich. Ehrenberg betont seinen Willen, den Auftrag Gottes umzusetzen und die Hexen auszurotten. Der Gott, um den es hier geht, ist ein strafender Gott. Er hat bereits Hunger, Pest und Krieg geschickt, um die Menschen zu strafen, ohne Erfolg. Wenn nichts passiert und die Obrigkeit nicht endlich handelt, wird er das ganze Land vernichten wie einst Sodom und Gomorrha. Als konkrete Maßnahme wird beschlossen, zur Finanzierung der Prozesse Teile des Besitzes der Hingerichteten einzuziehen. Der Umfang ist abhängig von der Familie der Hingerichteten: Haben sie Kinder, soll ein Drittel des Besitzes konfisziert werden, gibt es Verwandte bis zum 2. Grad, die Hälfte. Hat jemand überhaupt keine nähere Verwandtschaft, wird das gesamte Vermögen eingezogen. Nachdem die Prozesskosten gedeckt sind, soll überschüssiges Geld frommen Zwecken zu Gute kommen. Schließlich wird noch geregelt, dass in allen Orten, in denen es Hinrichtungen gab, ein Gremium von Personen eingesetzt werden soll, das die Beschlagnahmungen durchführt.

Hier der Text im Ganzen:

Die ins Domkapitelsprotokoll aufgenommene Variante dürfte der älteste erhaltene Textzeuge des Mandats sein. Gedruckt wurde es dann, leicht verändert, im Juni: In einer Wiedergabe von Scharold aus dem Jahr 1840 ist das Erscheinen des Textes auf den 10. Juni datiert, die abschließende Zeichnung Ehrenbergs aber auf den 14. Juni (Digitalisat MDZ). In der Überlieferung des Staatsarchivs Würzburg findet sich das gedruckte Mandat zusammen mit weiteren in der Akte Geistliche Sachen 1240. In der Universitätsbibliothek Würzburg finden sich in einer Reihe mit gedruckten Landesverordnungen unter der Signatur Franc. 1592,1 Drucke vom 14. Juni 1627 und vom 28. Juni. Ein weiteres Hexereimandat Ehrenbergs hat Frank Sobiech in einem Band der UB Tübingen nachweisen können (Mh 541, fol 295r–301v, datiert auf den 28. Januar 1628). Im vd17 sind derzeit keine derartigen Mandate Ehrenbergs nachgewiesen. Das Mandat vom 28. Juni wurde 1789 von Joseph Maria Schneid in Bd. II seines „Thesaurus iuris franconici“ gedruckt (der Text scheint auf den ersten Blick dem im Protokoll des Domkapitels sehr ähnlich, Digitalisat MDZ), dazu gab es unter demselben Datum eine Art Ausführungsverordnung der Kanzlei, die 1785 im „Journal von und für Deutschland“ gedruckt wurde (Digitalisat UB Bielefeld). Keiner der drei Drucke (Journal 1785, Schneidt 1789, Scharold 1840) gibt an, nach welcher Vorlage gedruckt wurde. Der Würzburger Band der Policeyordnungen (Imke König, 2016) hat nur die Variante aus Schneidt unter dem falschen Datum 8. Juni (Nr. 158 S. 712). Auch Wilhelm Gottlieb Soldan, dessen „Geschichte der Hexenprocesse“ von 1843 großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Verfahren in Deutschland hatte, erwähnt diese Konfiskationsordnung und verweist auf den Druck bei Scharold (S. 386/ Scan 404). Die Erwähnung bei Soldan dürfte eine der Wurzeln der bis heute weit verbreiteten Überzeugung sein, die Würzburger Obrigkeit hätte die Hexenprozesse geführt, um sich zu bereichern. Schließlich sei noch erwähnt, dass der Text zu Beginn mit der Formel „vor geraumer zeit“ auf ein früheres Mandat zu Hexenprozessen anzuspielen scheint, von dem bislang nichts weiter bekannt ist.

Im Domkapitel stieß der Entwurf auf Protest. Man bezeichnete ihn als „gar zu scharpff unnd hart“, verweigerte die Zustimmung und spielte auf Zeit: Der Syndikus solle mit anderen Sachverständigen bis zur nächsten Sitzung einen eigenen Entwurf vorlegen. Interessant ist, dass an dieser Stelle auf die Regelungen in anderen geistlichen Staaten verwiesen wird: In Kurmainz werde das Erbteil eines Kindes beschlagnahmt, in Eichstätt und Ellwangen ausschließlich die Haftkosten. Das ist der, soweit ich sehe, der einzige Hinweis in den Quellen darauf, dass man in Würzburg um das Vorgehen in Eichstätt und Ellwangen wusste.

„ … unnd dem syndico darauff zu nechstem capitul ein concept zu begreiffen unnd mit andern gelehrten herauß zu conferiren bevohlen worden, sintemalen man gewiese nachricht, daß zu Maintz ein, zu Eystatt und Elwangen aber uber den atzkosten gar nichts genommen werde.“ (StAW, Domkapitelsprotokoll 1627 fol. 121v)

In der schließlich veröffentlichten Version des Mandats wurde die Konfiskationsquote bei vorhandenen Kindern von einem Drittel auf ein Fünftel ermäßigt. Ob dies auch am Widerstand des Kapitels lag, ist natürlich nicht zu belegen, jedenfalls entsprach es seinem Interesse, die Regelungen weniger „scharpf“ zu machen.
Ebenso schwer zu sagen ist, warum das Domkapitel hier Protest einlegte und den Text des Mandates dazu vollständig ins Protokoll übertrug (als wollte man seinen Protest für immer festhalten). Spürte man vielleicht, dass es dann bei den Würzburger Prozessen auch den Herren der Stifte an den Kragen gehen sollte? Es gab schließlich mehr als 40 Opfer aus den Reihen von Stift Haug, St. Burkard, Neumünster und auch dem Domstift, wobei bei diesem die Ebene der Domherren nicht betroffen war.

Ein anderer Punkt: Was mag es für Folgen gehabt haben, wenn in dem Mandat angeordnet wurde, in den Orten mit Hexen Personen zur Abwicklung der Beschlagnahmungen zu bestellen und damit die Schultheißen, Bürgermeister, Vögte beauftragt wurden? Da wurden wieder die lokalen Strukturen in den Gemeinden vor Ort wichtig, was auch fatale Folgen haben konnte. Ich habe das in den Blogbeiträgen zu Neubrunn und Erlenbach zu zeigen versucht.

Setzte das Domkapitel das Mandat im Sinne von verschärfter Hexenverfolgung um? Griff es nun in Ochsenfurt anders durch, um Gott durch intensive Verfolgung der Hexen milde zu stimmen (und den Fürstbischof durch genaue Umsetzung seines Mandats)? In den Unterlagen zu den Verfahren in Ochsenfurt ist dergleichen nicht spürbar. Im erhaltenen Schriftverkehr wird das Mandat nicht erwähnt. Es gibt keine Mahnungen an die Zentschöffen oder die eigenen Amtleute vor Ort, dass man es umsetzen müsse. Mit dem Problem der Produktion der Normen und ihrer Umsetzung sind wir bei einem Riesenthema der Frühneuzeitforschung, das ich hier ganz kurz so zusammenfasse: Die Zentrale erließ in der Frühen Neuzeit Gesetze, die aber vor Ort keine Verhaltensänderungen bewirkten. Das war auch, folgt man der Forschung, gar nicht der Sinn. Es ging vielmehr darum, eine Art kommunikativen Rahmen aufzumachen, um miteinander im Gespräch zu bleiben. So gesehen könnte man Ehrenbergs Konfiskationsmandat auch als ein Beteiligungsangebot an die Gemeinden deuten.

In seiner Sitzung am 13. Juni (Betreff: Konfiskation der Hexengüter, fol. 144v–145v) musste das Domkapitel feststellen, dass das Mandat ohne seine Zustimmung gedruckt und den Beamten auf dem Land zugeschickt worden war. Mit diesem Verfahren war man nicht einverstanden. (Zur Beteiligung des Domkapitels an der Gesetzgebung siehe Horling 2017 und Neumaier 2010.) Zur Schilderung des weiteren Geschehens zitiere ich nun abschließend einen Absatz aus meiner Publikation zu den Ochsenfurter Hexenprozessen: „Nach Herkommen und Wahlkapitulation hätte das Domkapitel an dem Vorgang beteiligt werden müssen, fand man, und untersagte (‚inhibirt‘) dem Kanzler die Publikation, bis der Fürstbischof zurück sei. Der Fortgang der Geschichte ermöglicht einen schönen Blick in die Herrschaftspraxis im Hochstift Würzburg. Im Protokoll heißt es: Die Publikation des Mandats sei in der Tat unterblieben, dessen Inhalt aber wurde den Beamten auf dem Land ‚missivweiß zugeschickt‘, obwohl das Domkapitel ihm nicht zugestimmt hatte. ‚Allein weiln es nit medium publici mandati geschehen, vor kein dombcapitulisches praeiudiz hat mögen gehalten werden.‘ Weil man auf der Verfahrensseite behaupten konnte, dass die Rechte des Domkapitels nicht beeinträchtigt worden waren, gab man den Widerstand gegen das Hexereimandat des Fürstbischofs auf.
Ob man im Domkapitel über die als zu hoch betrachtete Konfiskationsquote hinaus Bedenken gegen das Vorgehen des Bischofs hatte, geht aus dem Protokoll nicht hervor. Schriftlich festgehalten wurde es jedenfalls nicht.“

(Robert Meier, Stadt, Zent und Domkapitel. Zu den Ochsenfurter Hexenprozessen 1617 und 1627, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 82 (2019), 219–233, hier S. 228)

Publiziert am 3.4.2024.

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