Neue Hexenquellen zur Herrschaft Büchold & Zur Problematik kleinerer Herrschaften

Schloss Büchold. Vorlage: wikimedia commons

Das Territorium des Hochstifts Würzburg war nicht geschlossen. Es gab zahlreiche Einsprengsel, in denen Fürsten (z.B. die Markgrafen von Ansbach), Grafen (z.B. Castell und Wertheim), aber auch Klöster (Ebrach war uns bei Oberschwarzach begegnet) oder Ritter und sonstige Herren (die von Thüngen, die Wolfskeel, die Schenken von Limpurg, …) Besitz oder Rechte hatten. Dazu gehörten gar nicht selten auch Hochgerichtsrechte, und das heißt: Diese Herren führten dann auch die Hexenprozesse.

Die Rolle dieser kleineren Herrschaften in den unterfränkischen Hexenprozessen ist wenig erforscht und wegen der schlechten Quellenlage auch schwer erforschbar. Die zuletzt behandelte Zent Ochsenfurt (Domkapitel Würzburg) ist hier die große Ausnahme (auch das Domkapitel war mit seinem Eigenbesitz eine „kleinere Herrschaft“). Der „Normalfall“ aber dürften Fälle wie der von Ursula Englert aus Uengershausen sein, die 1629 im Reichenberger Schloss verbrannt wurde. Ursula hat es durch einen Zeitungsartikel des Reichenberger Schulrektors Wolfgang Schindler sogar ins wuerzburgwiki geschafft. (Prozessakten sind im Wolfskeel-Archiv heute nicht mehr vorhanden. Schindlers Text beruht aber auf glaubwürdigen Angaben von Johann Baptist Kestler, der um 1840 noch Prozessunterlagen gesehen haben will.)

Ergänzung 13.6.24: Heute festgestellt: Der Artikel von Wolfgang Schindler (Überall im Lande loderten die Scheiterhaufen, in: Die kleine Zeitung für die linksmainischen Würzburger Stadtteile 1993, Nr. 17, 1-3) ist die teils gekürzte und umformulierte, inhaltlich aber komplette Übernahme eines Beitrags aus der Frankenwarte 1931 Nr. 6 (H.Z., Ein Hexenprozeß auf dem Schlosse Reichenberg). Angegeben hat Schindler die Vorlage nicht. Dort findet sich auch der Hinweis auf Kestler. Verblüffend, wie Hexenartikel immer wieder recycelt werden.

Zum Schloss der Wolfskeel in Reichenberg gehörten Zentrechte in Albertshausen, Ingolstadt, Sulzdorf, Eßfeld, Geroldshausen, Uengershausen, Hattenhausen, Heuchelheim, Lindflur, Fuchsstadt und Darstadt. Wurden dort weitere Hexenprozesse geführt? Ohne Quellen ist das ganz schwer zu sagen. Manchmal erfährt man etwas sozusagen um die Ecke: Im Ochsenfurter Zentprotokoll ist für das Jahr 1623 ein Streit mit den Wolfskeel festgehalten, in dessen Verlauf ein Vogt der Wolfskeel in Ochsenfurt inhaftiert wurde (StAW, Rössner 1066, fol. 29/30). Auslöser war eine Frau aus Geroldshausen, die durch den Zentgrafen der Wolfskeel in Albertshausen verbrannt wurde, also vermutlich ein Hexereifall. Daraus ergab sich ein Streit mit der Zent Ochsenfurt, wer dafür zuständig sei.

Derartige Zuständigkeitsfragen waren damals häufig. Sie entstanden wohl auch, weil in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend schriftlich fixierte Rechtsregeln das Zusammenleben strukturierten, um hier einmal einen ganz großen Bogen aufzumachen. Auf das Führen von Hexenprozessen konnten sie treibend wirkend. Ein klassisches Beispiel der Hexenforschung ist das Kloster St. Maximin in Trier. Das Kloster führte Hexenprozesse, um gegenüber dem Trierer Erzbischof seine Reichsunmittelbarkeit zu beweisen.

Ähnliches ereignete sich, in kleinerem Maßstab, wohl auch in Maßbach in der Rhön. Zur Herrschaft Maßbach gehörte ein eigenes Halsgericht. 1628 befand sich die Herrschaft im Besitz der Burggrafen von Thundorf. Die Reichweite der Gerichtsrechte war strittig, siehe dazu die Einleitung in die Geschichte der Herrschaft Maßbach im Angebot der Thüringer Staatsarchive und wiederum Hermann Knapp, Zenten (1907), Bd. 1,2 S. 798ff. In dieser Situation führte der Burggraf von Thundorf, Hans Ott von Schaumberg, inmitten der Prozesswelle 1626/29 Hexenprozesse. Damit tat er neben der Hexenbekämpfung noch etwas anderes: Er demonstrierte seine Gerichtsrechte. Unter den Hingerichteten war mit Magdalena Spiess auch eine Frau aus Poppenlauer, bei der Würzburg die Gerichtsrechte beanspruchte. Darüber erhob sich nun ein Streit zwischen Würzburg und Schaumberg (StAW, Historischer Saal 377, StAW, Lehensachen 5059 I und II).

Ähnliche Streitigkeiten sind für das Jahr 1628 mit der Zent Mittelsinn der Herren von Thüngen dokumentiert (StAW, Historischer Saal 377 fol. 184, StAW, Würzburger Archivalien 1842).

Ein weiteres, etwas älteres Beispiel: 1602 verhaftete Ansbach Frau Neuschuch aus Willanzheim wegen Hexerei. In Willanzheim war das hohe Gericht strittig zwischen der Ansbacher Zent Kitzingen und dem Domkapitel Würzburg/ den Herren von Ehenheim als Dorfherren bzw. Inhabern der Vogtei. Julius Echter verklagte Ansbach vor dem Reichskammergericht wegen dieser Festnahme (StAW, Administrativakten 16199). Echter klagte also gegen die Inhaftierung von Frau Neuschuch als Hexe.
Nochmal die These: Konkurrierende Hochgerichtsrechte waren ein verfolgungstreibender Faktor bei den Hexenprozessen. Das Hexereidelikt bot sich für solche Auseinandersetzungen wegen seines konstruierten Charakters an. Da nach der Carolina schon als Indiz galt, wenn jemand nur im Ruf der Zauberei stand, ließ sich dies mit anderen Indizien wie einem Schadenszauber-Vorwurf kombinieren und damit waren die rechtlichen Voraussetzungen für einen Hexenprozess gegeben.

Damit zur Herrschaft Büchold, zu der, genau wie im Fall Maßbach, ein eigenes Halsgericht gehörte (Infos zu Büchold beim Haus der bayerischen Geschichte). Büchold ist heute ein Ortsteil von Arnstein. Für die Hexenprozesse des Hochstifts Würzburg sind die Vorgänge wichtig, weil die ersten nachweisbaren Würzburger Hinrichtungen wegen Hexerei im Jahr 1600 in Arnstein stattfanden. Diese Verfahren gingen unmittelbar auf Prozesse aus dem Jahr 1599 zurück, die 1600 in Büchold zu sieben Hinrichtungen geführt hatten. Und zu diesen Hinrichtungen gibt es ganz aktuell neues Quellenmaterial, das Jens Martin bei seinen Provenienzrecherchen im Staatsarchiv Würzburg gefunden hat.

Verzaichnus deß uncostens waß uff jede der sieben hingerichte unhulden ergangen. StAW, Lehensachen 1015

Es handelt sich vor allem um Rechnungen zu den Kosten der Prozesse, die nach der Hinrichtung angefertigt wurden (diese ist jeweils mit abgerechnet: der Scharfrichter bekam zehn Gulden pro Exekution). Dass sich dergleichen in einer Akte mit dem Titel „Lehensachen 1015“ findet, ist nur auf den ersten Blick überraschend: Das Recht, hohes Gericht zu halten, gehörte als Reichslehen zur Herrschaft Büchold, und in den Hexenprozessen spiegelte sich, wie beschrieben, dieses Recht. Dietrich Echter, ein Bruder des Fürstbischofs Julius Echter und Würzburger Amtmann in Rothenfels, erwarb Büchold 1596 von den von Thüngen. Die Akte setzt ein mit Überlieferung der Thüngen zu einem Bücholder Kriminalfall, sie enthält auch eine „Halßgerichts ordtnung der zent Bücholdt“. Die Masse der Unterlagen macht aber klassisches Lehnsschriftgut aus. Dietrich Echter korrespondierte mit Stellen am Kaiserhof, um eine offizielle Belehnung zu erreichen. Das wiederholte sich, als seine Söhne Philipp Christoph Echter und Hans Dietrich Echter mündig wurden. (Das Hexenunterlagen in Lehensakten überliefert sind, hatten wir oben auch schon bei der Herrschaft Maßbach.)

Von Gauaschach durch Büchold nach Arnstein: der Weg der beiden Frauen aus Münnerstatt auf einer Karte um 1860. Aus: bayernatlas im geoportal.bayern.de

Bevor eine Kostenrechnung mit Transkription gezeigt wird, sollen hier die Namen der sieben Opfer genannt werden: Valtin Schmidt aus Gauaschach, zwei Frauen aus Münnerstadt (Mutter und Tochter, in anderer Arnsteiner Überlieferung findet sich der Name: Ursula Vait, senior und junior), die alte Frau Rüger, Frau Pfister, Frau Weinmann, Frau Eck.

Die Rechnung der beiden Frauen aus Münnerstadt:

Die Kosten sind, so schrecklich das klingt, die üblichen bei Hexenprozessen anfallenden. Ein Gastwirt wird für Verpflegung bezahlt, Wächter werden bezahlt, der Scharfrichter und sein Knecht für Anwendung der Folter und Hinrichtung. Einen eigenen Scharfrichter hat man nicht in Büchold, deshalb muss man einen aus „Steinau“ kommen lassen (eventuell heißt der Scharfrichter „Meister Matthes“; wenn sein Herkunftsort Steinau an der Straße war, hätte er einen recht weiten Weg gehabt). Interessant sind die zahlreichen Botengänge, die im Zusammenhang mit den Hexenprozessen anfielen. Boten gingen nach Steinau, Rimpar, Mainbernheim, Schloss Höllrich, Burgsinn, Arnstein, Gramschatz und immer wieder nach Würzburg. Da wird ein ausgedehntes Kommunikationsnetz sichtbar – leider sieht man nur das Netz, erfährt aber nichts über die Botschaften oder darüber, wer hier wem etwas mitteilte. Die Rechnungen der anderen fünf Hingerichteten sind übrigens nahezu identisch, es werden dieselben Vorgänge abgerechnet.

Valtin Schmidtß uncost … 3 Pfennig 1 alde dem khüehirttenn, gieng mit den Augustienerherren neben der kutschen nach Wirtzburgk. StAW, Lehensachen 1015

In allen Rechnungen geht Michael Bohl (in der Quelle: Bollmicheln) mit einem oder mehreren Jesuiten nach Gramschatz. Das dürfte ein Beleg sein, dass die (Würzburger) Jesuiten auch in Büchold die Gefangenenseelsorge wahrnahmen. Frank Sobiech hat die Gesamtzahl der Hexenprozesse in den letzten Echterjahren aus den Ordensberichten der Jesuiten ermittelt (Kerkerseelsorge, 2018). Zur Einschätzung dieser Zahl ist die Frage wichtig, ob die Jesuiten auch bei Verfahren auf dem Land anwesend waren und diese mitzählten. Die Notiz in den Bücholder Rechnungen legt dies nahe.
Mit den Augustinern wird noch ein zweiter Orden erwähnt. Der Kuhhirte geht einmal mit einem Augustiner nach Würzburg und wird dafür bezahlt (in einer Rechnung heißt es sogar anschaulich, dass er neben der Kutsche des Augustiners hergelaufen sei).

Neben den Rechnungen findet sich eine Urkunde aus dem Jahr 1600 in den Unterlagen. Ausgestellt ist sie vom Würzburger Keller in Arnstein, der sich hier für ein Fehlverhalten gegenüber Dietrich Echter entschuldigt:

Markus Strigler hatte Geleits- und Gerichtsrechte der Herrschaft Büchold verletzt, als er die beiden hexereiverdächtigen Frauen Agnes und Anna Schmidt vom Zentgrafen durch den Ort führen ließ, ohne um Erlaubnis zu fragen. Dietrich Echter ließ sich hier vom Amtmann seines Bruders eigens bescheinigen, dass dies widerrechtlich geschehen war. Der gab das zu und entschuldigte sich mit Nachlässigkeit („aus ubersehen“). Auch in Büchold also penible Rechtewahrung im Rahmen der Hexenprozesse. Julius Echter und sein Bruder Dietrich interagieren hier nicht wie Brüder, sondern als Territorialherren und Herrschaftsträger.

Agnes und Anna Schmidt, die hier durch Büchold geführt wurden, wurden dann im April 1600 die ersten Opfer der Würzburger Hexenprozesse. Mehr dazu bei Seuffert, Arnstein (1990), S. 329–336.

Literatur zu Büchold: Bauer, Herren von Thüngen (1985), S. 42–44, und Herdrich, Büchold (1998). Herdrich benutzt Anm. 14 den Akt StAW Lehensachen 1015 für die Herrschaftsgeschichte, erwähnt aber die Hexenrechnungen nicht.

Voriger Beitrag: Ochsenfurt IV

Zuerst publiziert am 5.5.2024

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert