Geld und Hexenprozess. Wie wurden die Würzburger Verfahren finanziert?

Initiale am Beginn des Konfiskationsmandats von Philipp Adolph von Ehrenberg, 1627. Vorlage: StAW, Geistliche Sachen 1240

Bei der Bücholder Kostenrechnung aus dem letzten Beitrag ging es um die Begleichung der Kosten, die bei Hexenprozessen anfielen. Dazu ist die Vorstellung weit verbreitet, die Obrigkeiten hätten sich bei den Hexenprozessen bereichert. Mancher sieht hier gar die Haupttriebfeder der Verfahren. Was sagen die Würzburger Quellen dazu?

Zunächst die Norm: Julius Echter hatte in der Zentkosten-Ordnung von 1594 geregelt, welche Gebühren bei Kriminalprozessen vor den Zentgerichten genommen werden sollten. Die Ordnung ist gedruckt bei Knapp, Zenten (1907) Bd. I, 2 S. 1391–1400 (online). Darin wird etwa festgelegt, dass Zentschreiber und Schöffen für die Durchführung von Verhören 15 Pfennige bekommen sollten und der Scharfrichter zehn Batzen für jeden Arbeitstag. Pfarrer, die den Todeskandidaten die Sakramente spenden, bekommen dafür nichts. Schöffen, Schreiber und Zentgraf erhalten am Rechtstag hinterher eine Zehrung im Wert von sieben Schillingen und nicht mehr. Der größte Kostenblock bei Hexenprozessen lag aber meist nicht in diesen, nüchtern gesprochen, Verwaltungsgebühren, sondern war häufig die Verpflegung der Inhaftierten. Deren Essen wurde oft von den örtlichen Gastwirten geliefert. Bei einer länger dauernden Haft konnten da erhebliche Summen zusammenkommen.

Wer musste diese Kosten tragen?

Die Zentkosten-Ordnung unterscheidet zwischen Privatklagen, bei denen die Kosten von denjenigen bestritten werden mussten, die die Klage erhoben hatten, und Klagen ex officio, also von Amts wegen. Diese Unterscheidung gibt es auch heute noch: Bei Klagen von Amts wegen muss die Staatsanwaltschaft tätig werden, weil es das Gesetz so vorsieht. Zauberei war nach der Carolina ein solches Delikt „ex officio“. Die Zentkosten-Ordnung regelte, dass in den ex-officio-Fällen die Kosten auf alle Mitglieder der Zent (die Zentverwandten) umgelegt werden sollten, wenn das Verfahren mit der Todes- oder einer Leibesstrafe endete. Zur Abrechnung sollte in jeder Zent der Zentgraf mit einer Kommission von vier Personen (zwei Schöffen, zwei Zentverwandte; jährlich wechselnd) die Kostenrechnungen aufstellen und diese über die Schultheißen auf die Zentverwandten verteilen.
Von Geldern, die nach Würzburg flossen oder von Beschlagnahmungen aus dem Erbe ist keine Rede. Ja, bei der Begleichung der Kosten war die Kanzlei nominell nicht einmal beteiligt. Die Zenten regelten das vor Ort.

Diese Regelung (Umlegung der Kosten auf alle Zentverwandten) galt für alle mit Körperstrafen endenden Prozesse. Hexereiverfahren werden in der Kostenordnung nicht separat erwähnt. Dass man so aber auch bei Hexenprozessen vorgehen wollte, zeigt eine Auseinandersetzung mit Kurmainz aus dem Jahr 1593. Kurmainz wollte bei Hinterbliebenen von Hexereiprozessen in Bödigheim, die zur Zent Buchen im Odenwald gehörten, aber Würzburger Untertanen waren, Besitz konfiszieren, um die Verfahrenskosten zu decken. Die Untertanen beschwerten sich darüber bei Julius Echter. Sie erreichten, dass Julius Echter in Kurmainz protestierte. Würzburg zufolge zahlten Würzburger Untertanen in der Zent Buchen „seit alters herkommen“ für jede hingerichtete Person vier Pfennig, aber auch nicht mehr etwa aus dem Nachlass. Erzbischof Wolfgang von Mainz verteidigte das Vorgehen seiner Beamten am 14. Oktober unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Verfolgung der „abscheulichen hexerey und zauberey“ und mit der Behauptung, in den Gemeinen Rechten sei in diesem Fall die confiscatio bonorum gestattet. Würzburg dagegen meinte, die Konfiskation von Vermögen bei den Erben durch Kurmainzer Beamte sei eine Neuerung und damit unzulässig. Zentkosten würden so nicht bestritten. (StAW, Miscellanea 2880)

Wie sah nun die Praxis aus? Auch beim Zentgericht Remlingen finden sich dazu sich nicht gerade viele Quellen. Eine Ausnahme ist eine Rechnung des Remlinger Zentgrafen aus dem Jahr 1617 zu drei hingerichteten Frauen aus Greussenheim und einem Mordfall in Uettingen: „Rechnung aller einnam und ausgab der drey justificierten hexenweiber anno 1617 undt Jorgen Wolgemuts von Trenfeld so Conrad Sessin von Homburg zu Uttingen den 1. Juli 1617 entleibt“. (StAWt-G Rep. 102 Nr. 747)

Nach dieser Rechnung zahlten zunächst die Angehörigen (Klaus Hermann aus Greussenheim für seine hingerichtete Frau Anna 120 Gulden, Caspar Schebler wegen Eva Stark 10 Gulden, mehr hat er nicht), dann aber die Gemeinden bzw. alle Zentverwandten, wie in der Ordnung vorgesehen (Greussenheim zahlt für 80 Mann und Witwen 15 Gulden, Birkenfeld 14 Gulden für 73 Mann und Witwen, Lengfurt zahlt für 139 Mann und Witwen 27 Gulden, Holzkirchen für 28 Mann 5 Gulden).

Bei den hingerichteten Frauen scheint ein Batzen pro Person berechnet worden zu sein (mit den Zahlungen der Angehörigen ergibt sich die enorme Summe von 340 Gulden Einnahmen), bei Wohlgemut sechs Kreuzer (Einnahmen insgesamt 102 Gulden). Der Uettinger Mord und die drei Greussenheimer Hexenfälle werden in der Rechnung ganz analog behandelt, will sagen: Keine Sonderregelung für die Hexereiverfahren.

Nach einer detaillierten Auflistung der Kosten stehen Gesamteinnahmen von 442 Gulden Ausgaben von 425 Gulden gegenüber. Die Differenz zahlte der Amtmann dem Zentgrafen aus, worüber dieser quittierte. Der Überschuss blieb also in der Zent, Würzburg war nicht beteiligt.

Auch ein Remlinger Schreiben aus dem Jahr 1610 weist in diese Richtung: Der Zentschöffen protestierten im Fall Alexander Schmidt 1610 gegen die Zumutung, ein Urteil nach Würzburg schicken zu sollen, ohne die Malefizperson „uff dem zentberg unter dem freyen himmel“ gesehen zu haben. Damit wäre auch das „landtvolck“, das schließlich die Zentkosten tragen müsse, nicht zufrieden. (StAW, Miscellanea 2882)

Die Praxis scheint also den Regelungen der Kostenordnung entsprochen zu haben: Umlegung der Kosten auf sämtliche Zentverwandten. Man kann wohl davon ausgehen, dass dieses Verfahren auf die Hexenprozesse bremsend wirkte. Wer denunzierte, musste damit rechnen, dass auf alle Bewohner seines Dorfes Kosten zukamen.

Aber unter bestimmten Voraussetzungen konnte sich dies auch umkehren. Vielleicht liegt in dieser Struktur, die Kosten durch einen lokalen Ausschuss mit dem Zentgrafen an der Spitze festlegen und erheben zu lassen, ein Grund für die exzeptionell hohe Opferzahl der Jahre 1616/17 in der Würzburger Zent Gerolzhofen. Zentgraf Valentin Hausherr starb als schwerreicher Mann. Die Zentgrafen konnten durch ihre Informationsweitergabe an die Kanzlei nicht nur erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Prozesse nehmen, sondern sie profitierten am Ende auch finanziell. Wer Wohlhabende denunzierte, konnte der eigenen Zent Einnahmen bescheren.

Das man sich wie in Greussenheim in den Fällen, wo dort etwas zu holen war, zunächst an die Familie wandte, zeigt der Fall von Walburga Steinbach aus Marbach im Jahr 1603. Die Kinder weigerten sich, die Haftkosten zu tragen, weshalb Julius Echter Keller und Zentgraf in Lauda anwies, die Güter der inhaftierten Frau Steinbach schätzen zu lassen. Dann sollten Kuratoren eingesetzt werden und aus diesen die Haftkosten bezahlen. (StAW, Historischer Saal 374, fol. 225)

Mit Ehrenbergs Mandat aus dem Jahr 1627 änderte sich die Finanzierung der Hexenprozesse grundsätzlich. In dem Mandat heißt es dazu, dass Ehrenberg „unsern armen verschaidenen leüthen angehöriger underthanen, in welchen dergleichen maleficanten begrieffen, unnd sonsten mehrer theils die bey ihnen iustificirte persohnen uncosten zu tragen dem herkommen nach verbunden, nit uffzuladen wissen.“ Das macht, denke ich, nur Sinn, wenn man unter den „angehörigen underthanen“ die Zentverwandten versteht, denen bislang „dem herkommen nach“ die Kosten „uffgeladen“ werden sollen. Davon sollten sie nun entlastet werden. Stattdessen legte das Mandat feststehende Konfiskationsquoten am Vermögen der Hingerichteten fest abhängig von deren Verwandtschaftsverhältnissen (siehe dazu den vorvorigen Beitrag). Nun trugen also die Familien der Opfer alleine die Kosten. Die Konfiskationsquoten waren unabhängig von den tatsächlich angefallenen Kosten. Es entstand damit die Möglichkeit von Überschüssen. Und noch eine Neuerung: Die Gelder landeten jetzt, so legt es diese Rechnung nahe, in Würzburg (es sind auch Beträge aus Volkach, Ostheim und Karlstadt verbucht). Wer dann dort über deren Vergabe entschied, steht nicht in der Rechnung, aber dies wird wohl kaum ohne Zutun des Fürstbischofs und seiner Regierung geschehen sein.

Es gibt nicht viel Material zur Umsetzung der Ehrenbergschen Konfiskationsordnung. Aber ein Extract aus der Rechnung über die konfiszierten Güter für die Jahre 1627 bis 1629 hat sich erhalten. Vermutlich hat ein Archivar diese Rechnung im 19. Jahrhundert mit Druckschriften zur Hexerei (Ehrenbergs Mandat und Eid der Kuratoren) zusammengelegt, sonstige Kontexte sind nicht mehr erkennbar:

Die Summe der konfiszierten Gelder ist groß. Fast alles kam aus Würzburg. Bei wem das Geld im Einzelnen konfisziert wurde, wird nicht aufgeschlüsselt. Wofür wurde das Geld benutzt? Im Mandat war ja die Rede davon, Überschüsse zu frommen Zwecken benutzen zu wollen. Die Realität sah anders aus: Knapp 20.000 Gulden wurden gegen Zins ausgeliehen (wer es bekam und wo genau dieses Geld später verbucht wurde, vermag ich nicht zu sagen), gut 10.000 Gulden erhielt die Universität Würzburg (die damit als größter Einzelprofiteur der Hexenprozesse der Prozesswelle 1626/29 gelten kann), etwa 5.000 Gulden wurden an verschiedene Würzburger Klöster verteilt (wobei die Karmeliten mit 3.000 Gulden den weitaus größten Betrag erhielten, warum auch immer). Auch die untersuchenden Richter (die „examinatorn“, dazu mehr im nächsten Blog) und der Malefizschreiber erhielten mit 3.600 Gulden einen erheblichen Betrag, der sich allerdings auf zahlreiche Personen und zwei Jahre verteilte.

In einem zweiten Teil schlüsselt die Rechnung weitere Ausgaben auf. Sie waren vor Verteilung des Geldes von den Einnahmen abzuziehen. Man erfährt manches Interessante zum Beispiel über das „geplenck“ am Sanderrasen (vermutlich ein Gerüst für die Scheiterhaufen), das Hexengefängnis im alten Hofschneider-Haus bei Sankt Stephan und weitere Hexereifälle in Hilders, Lauda und Bischofsheim in der Rhön. Warum die Häuser von Malefizschreiber und Zentgrafen auf Kosten der Hexenrechnung repariert werden konnten, bleibt unklar.

Ehrenbergs Mandat gemäß sollten vor Ort (oder in den Ämtern) Personen eingesetzt werden, die sich um die Konfiskationen kümmern und darüber Rechnung ablegen sollten. Das machten also auch jetzt keine Würzburger Amtleute (die wären auf dem Land, weil vor Ort nicht vertreten, dazu vermutlich nicht in der Lage gewesen). Hier noch der Eid, den diese Kuratoren schwören sollten:

Eid der Kuratoren über beschlagnahmtes Vermögen in Hexereiprozessen. StAW, Geistliche Sachen 1240

Führten die Würzburger Fürstbischöfe also Hexenprozesse, um sich zu bereichern? Für die Echterzeit würde ich sagen: sicher nicht. Hier waren die Kostenregelungen eher ein Instrument, um Verfahren einzudämmen. Wichtig ist auch, dass es damals keine besonderen Regelungen für Hexenprozesse gab – sie wurden behandelt, wie alle anderen Verfahren an den Zenten auch. Das änderte sich bei Ehrenberg. Nun hatten die Hexereiprozesse, folgt man der vorgestellten Rechnung, eine eigene Kostenordnung und fiskalisch gesehen einen positiven Ertrag. Ob dies bei Abfassung der Mandate allerdings schon abzusehen war, ist zweifelhaft. Wer in den finanziellen Aspekten den Hauptantrieb für die Hexenprozesse vermutet, macht es sich jedenfalls zu einfach und geht am eigentlich Schrecklichen der Verfahren vorbei. Für die Entstehung der Prozesswelle 1626/29 kann das Mandat nicht verantwortlich gemacht werden: Als es im Frühsommer 1627 erschien, rollte sie schon.

Zuerst veröffentlicht am 26.5.2024

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