Ochsenfurt IV. Die Zent Ochsenfurt 1627 in ihren Protokollen

Illustration aus dem Protokoll der Zent Ochsenfurt, Staatsarchiv Würzburg Roessner 1066

Im letzten Beitrag ging es um das Hexereimandat Fürstbischof Ehrenbergs, das das Domkapitel im Rahmen der Hexenprozesse in seiner Stadt Ochsenfurt in sein Protokollbuch eintrug. Wie ging es weiter mit den Prozessen in der Stadt Ochsenfurt?
Im Sommer 1627 war der 15jährige Schusterlehrling Hans Götz in Haft, der sich selbst und andere der Hexerei bezichtigt hatte. Ebenfalls inhaftiert waren Ursula Röhm und Catharina Michel, beide Bäckersfrauen aus Ochsenfurt, sowie Magdalena, die 12jährige Tochter von Ursula Röhm. Für den Sommer 1627 ist die Überlieferung sehr dicht, weil es neben den bereits

erwähnten Protokollen des Domkapitels und den Aufzeichnungen des Stadtrats eine weitere serielle Quelle gibt: Protokolle des Ochsenfurter Zentgerichts. Sie liegen heute unter den Signaturen Rössner 1064 bis 1069 im Staatsarchiv Würzburg (zum Jahr 1627 die Bände 1065 und 1066). Die eigenwillige Signatur rührt schlicht daher, dass der Archivar Rössner sie Mitte des 19. Jahrhunderts in einen von ihm gebildeten Bestand einreihte (zu den Rössner-Büchern).

Dieser Bestand ist also zustandegekommen, weil Rössner ihn zusammengestellt hat, und nicht, weil die Unterlagen zusammen an einer Stelle entstanden wären. Diese gemeinsame Herkunft nennen die Archivare seit dem 19. Jahrhundert Provenienz. Heutige Archivterminologie bezeichnet einen Bestand wie die Rössner-Bücher als „nicht provenienzrein“, es ist ein „Mischbestand“. Ein Mischbestand, der die tollsten Dinge enthält wie etwa die Protokollbücher von Stadt- und Landgericht in Würzburg (noch nicht digitalisiert) oder auch städtische Steuerbücher, in denen Bürger und Bürgerinnen mit ihrem Grundbesitz verzeichnet sind (das älteste beginnt 1644, Digitalisat). (Ich erwähne das, weil sich hier bei einzelnen Häusern auch Hinweise zu früheren Besitzern finden könnten, die in der Prozesswelle 1626/29 umkamen.)

Die Unterlagen des Ochsenfurter Zentgerichts wurden in der „cent-repositur“ bei der Stadt aufbewahrt. Das weiß man, weil Rössner 1066 fol. 26/27 eine Anfrage der Herren von Limpurg festgehalten ist, die wissen wollten, zu welcher Zent Sommerhausen gehörte. Der Stadtschreiber sah das in der Zentrepositur nach. Interessant dabei: Der Stadtschreiber war zugleich Schreiber der Zent und die Zentregistratur lag bei der Stadt. Die Verbindung von Stadt und Zent war in Ochsenfurt also eng (zwei weitere Aspekte: Zentgraf Wolf Kahl war Ochsenfurter Bürger und das Zentgericht tagte im Gasthaus Saalhof), auch wenn die meisten Schöffen des Gerichts von den anderen Dörfern der Zent gestellt wurden.

Mehr Infos zur Zent Ochsenfurt wiederum bei Knapp, Zenten I, 2 (1907), Bild 237/ S. 934.

Ich kann die Vielzahl der im Zusammenhang der Ochsenfurter Prozesse überlieferten Schreiben hier nicht abbilden. Deshalb nur ein paar Details: Frau Röhm wurde auf Anordnung des Domkapitels mehrfach gefoltert (mit Daumenstock und Beinschrauben, Rössner 1066 fol. 337) und gestand, widerrief aber dann später wieder. Hans Götz, auch er wurde gefoltert, war im Armenspital untergebracht. Die Aussagen der Kinder sind widersprüchlich. Zum Beispiel sagt der Junge, er wisse nicht, was mit den ausgegrabenen Kinderleichen geschehen sei, während die Tochter Röhm sagt, man habe sie beim Friedhof verbrannt. Die Tochter beschuldigt die Mutter, eine Hexe zu sein. Die beiden werden einander konfrontiert. Die Mutter sagt über die Tochter, sie sei närrisch und nicht bei Sinnen. Aber die Tochter bleibt bei ihren Aussagen, die Mutter solle nur gestehen, „man sterbe nur einmahl“ (fol. 338r). Das Ochsenfurter Zentgericht möchte das Verfahren gerne loswerden: Man schlägt vor, das Verfahren in Würzburg weiter zu führen, „dann wier also nicht sehenn wie den sachen weiter zue thuen“, und vorher: in Würzburg gebe es „beßere mittell die wahrheit und fernere bekandtnußen heraus zu preßen.“ (fol. 339).

Das Ochsenfurter Zentprotokoll Rössner 1066 ist in ein Blatt einer mittelalterlichen Neumenhandschrift eingebunden.

Am 9. August 1627 kulminierten die Ochsenfurter Ereignisse in einer Sitzung der Zent, die mehrfach unterbrochen und wieder aufgenommen wurde. Die Amtleute des Domkapitels wollten erreichen, dass Urteile gesprochen würden, aber die Zentschöffen weigerten sich:

Wie ging es weiter? Am 21. August ordnete das Domkapitel an, Frau Röhm erneut mit Beinschrauben zu traktieren und eine halbe Stunde auf „zug“ zu legen, um „zue sehen ob sie ihr vorgebene unschuldt dardurch genuegsamb unndt mit bestandt purgiren werdte“ (fol. 344r). Dies geschah am 23. August. Frau Röhm überstand „beede torturen“ und blieb dabei, sie sei unschuldig. Daraufhin erging die Weisung des Domkapitels, sie freizulassen:

Fol. 347v–349v sind auch die Urfehden der beiden Frauen festgehalten. Frau Röhm versprach, fleißig den Gottesdienst zu besuchen, sich aber ansonsten von großen Zusammenkünften fernzuhalten und nicht an Hochzeiten, Taufen oder Kirchweihfesten teilzunehmen. Ihre Kinder soll sie im Haus halten, aber ordentlich zur Kinderlehre schicken und in den christlichen Glauben einweisen (fol. 349r).

Die Zentschöffen hatten am 9. August auch Hans Götz nicht verurteilen wollen. Im Herbst taten sie es doch. Der 15jährige Lehrling, dessen Bezichtigungen im Mai zu den Inhaftierungen geführt hatten, fiel dann selbst den Hexenprozessen zum Opfer. Sein Urteil wurde am 26. Oktober 1627 gesprochen und vollstreckt:

Hans Götz wurde zusammen mit einer Kindsmörderin aus Westheim hingerichtet. Beide wurden enthauptet. Der Leichnam der Kindsmörderin wurde begraben, der Körper des Jungen zu Asche verbrannt. An dieser Stelle finden sich Zeichnungen im Zentprotokoll:

StAW, Rössner 1066 fol. 361v. Die Zeichnung ist im Zent-Protokoll nach dem Urteil Hans Goetz eingetragen.

Die Enthauptungsszene, die diesem Blog als Titel dient, stammt aus demselben Band. An der Stelle, an der sie eingefügt ist, geht es allerdings nicht um Hexerei, sondern um einen Kirchendiebstahl. Hans Unrat war 1627 in die Ochsenfurter Stadtpfarrkirche eingebrochen und hatte einen Kelch entwendet. Dafür wurde er hingerichtet. Hinrichtungen sind in den Zentprotokollen keine Seltenheit: 1626 wurde in Ochsenfurt Jilg Körrlein aus Hohenstadt wegen Mord und Diebstahl exekutiert. Für die Zeitgenossen waren Exekutionen vielleicht nicht alltäglich, aber doch einigermaßen regelmäßige Ereignisse.

Zuerst publiziert am 21.4.2024

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