Würzburg schreibt nach Remlingen

(Das Beitragsbild stammt aus einer um 1680 in Amsterdam gedruckten Karte des Fränkischen Reichskreises, digitalisiert auf bavarikon.de.)

Das Margretlein kam also gegen den Willen der Gemeinde wieder zurück nach Erlenbach. (Zum Beginn der Geschichte im letzten Post.) Im Ort gab es Widerstand, und Vater Hedwig musste wohl Drohungen gegen sich und sein Mädchen erleben. Das ergibt sich aus einer Weisung Echters nach Remlingen vom 27. August, in dem auf ein Schreiben von Thoma Hedwig an ihn Bezug genommen wird (dieses Schreiben ist nicht erhalten). Echter weist hier Amtmann Lotter an dafür zu sorgen, dass Vater und Tochter vor Übergriffen der Gemeinde geschützt werden. (Schwer zu sagen, wie

der Amtmann diesen Schutz des Mädchens in Erlenbach hätte sicherstellen sollen. Irgendeine Würzburger Amtsperson vor Ort gab es nicht.) Außerdem soll er diesen Beschluss der Gemeinde Erlenbach mitteilen. Eine Überführung des Mädchens ins Juliusspital sei nicht nötig. Schließlich geht es noch um die Bezahlung der Haftkosten (die Verpflegung während der Haft mussten die Inhaftierten bzw. ihre Familien selbst übernehmen): Der Amtmann soll Vater Hedwig bei der Bezahlung einen Aufschub von zwei bis drei Wochen gewähren.

Wie es weiterging mit dem Margretlein in Erlenbach, ist nicht bekannt.

Schreiben Echters an das Amt Remlingen, Text innen. Staatsarchiv Wertheim, G-Rep. 58 Nr. 116
Schreiben Echters an das Amt Remlingen, außen. Staatsarchiv Wertheim, G-Rep. 58 Nr. 116


Die Schreiben Echters (bzw. der Würzburger Regierung in seinem Namen) sind stets so aufgebaut, dass sich innen der Verfasser nennt und dann der eigentliche Text folgt. Die Schreiben wurden gefaltet und versiegelt, und außen schrieb man den Adressaten drauf (hier also den Amtmann in Remlingen). In dem Moment, in dem das Schreiben am Ziel ankam und geöffnet wurde, wurde das Datum festgehalten – das ist der Präsentatsvermerk. Der Remlinger Amtmann hatte weiter die Gewohnheit, sich außen Notizen zum Inhalt des Schreibens zu machen. Diese Notizen stehen in der Transkription unter der Überschrift „Darauf notiert“. Sie sind für uns heute genauso praktisch wie für den Amtmann vor 400 Jahren: Hier stehen die wichtigsten Punkte des Inhalts. Wer sie liest, kann sich die Lektüre des vollen Textes sparen. Allerdings sind diese Notizen häufig schwer zu verstehen: Eben wegen ihrer Kürze, und weil der Amtmann sie nur für sich machte.

Ein Archivrätsel

Siegel an der Urkunde zur Übergabe von Remlingen an Wertheim, Staatsarchiv Wertheim, G-Rep 12a1 C V Nr. 8

Warum liegen die Schreiben, die aus Würzburg an die Amtleute in Remlingen gingen, heute im Staatsarchiv Wertheim? Das Wertheimer Archiv bewahrt die Unterlagen der Verwaltung der Grafen von Wertheim und hat mit Würzburger Ämtern erstmal nichts zu tun. Aber es gibt eine Erklärung: Als die Schweden 1631 Franken eroberten, erhielten die Löwenstein-Wertheimer von ihnen auch Amt und Zent Remlingen (beides hatten sie bis 1612 als Würzburger Lehen besessen). Die Urkunde dazu wurde am 18. Februar 1632 ausgestellt. Damals dürften die Wertheimer auch Zugriff auf die Unterlagen in Remlingen bekommen haben. Und als die schwedische Herrschaft in Franken wenige Jahre später endete und der Würzburger Bischof zurückkehrte, nahmen sie die Unterlagen mit. 1636 forderte Würzburg Wertheim zur Rückgabe dieser Akten auf – das Schreiben ist erhalten. Die Wertheimer konnten die Sachen aber nicht finden (zumal bei ihnen auch Unordnung herrschte, weil Teile des eigenen Archivs nach Frankfurt evakuiert worden waren). Und so ist es wohl gekommen, dass die Unterlagen der Zent Remlingen, also des auch für Hexenprozesse zuständigen Remlinger Kriminalgerichts, im Wertheimer Archiv über Jahrhunderte bewahrt wurden, ohne dass man davon wusste. Erst in den Nuller Jahren des 21. Jahrhunderts kamen sie ans Tageslicht. Ein sehr glücklicher Umstand, denn die Akten der anderen Würzburger Zentgerichte sind fast ausnahmslos nicht mehr vorhanden.

Die Unterlagen der Zent Remlingen befinden sich heute in den Beständen G-Rep. 58 (mit ausführlicher Einführung und Digitalisaten) und G-Rep. 102 im Staatsarchiv Wertheim.

Im nächsten Blogpost (am 15.10., wenn ich’s schaffe) wird es um zwei Frauen aus Volkach gehen, die 1596 in Würzburg wegen Hexerei inhaftiert waren. Ich beschreibe den Fall im Katalog zur Kulturspeicher-Ausstellung (der ist noch nicht erschienen). Er hat eine Besonderheit: In Volkach wurde damals ein Drache gesehen …

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