Ochsenfurt. Hexereifälle in den Protokollen des Würzburger Domkapitels

Ochsenfurt auf einem Stahlstich nach einer Zeichnung von 1847 (Fritz Bamberger/Carl Mayer), Vorlage: Staatsbibliothek München via bavarikon

Im Digitalangebot des Staatsarchivs Würzburg ist Großes geschehen: Die Protokolle des Domkapitels Würzburg sind online. Komplett! 1504-1803! Immer wieder wurde gefordert, die Protokolle als zentrale Quelle für die unterfränkische Geschichte zu edieren, nun sind Digitalisate da. Wunderbar!

Die Scans stehen als Einzelbilder über den DFG-Viewer zur Verfügung. Man kann sie nicht zusammenhängend durchsuchen (nicht so wunderbar), auch ist der Text nicht maschinenlesbar – aber das wird dann der nächste Schritt.

Der älteste Band der Domkapitelsprotokolle im Staatsarchiv Würzburg

Für die Hexenforschung heißt das: Hexereifälle aus der Stadt Ochsenfurt, wo das Domkapitel Stadtherr war, können in den Protokollen online verfolgt werden. Wie macht man das? Die Protokolle dokumentieren chronologisch fortlaufend die Sitzungen des Domkapitels und was dort verhandelt wurde. Wie findet man also die Hexereifälle, wenn man nicht die Bände von vorne bis hinten durchlesen will? Die hier interessierenden Bände haben jeweils vorweg ein Register, in dem die Fälle unter O (wie Ochsenfurt – im Jahr 1618) oder H (wie Hexenwerk – Jahr 1617) verzeichnet sind. Auf den entsprechenden Seiten sind diese Sachbegriffe dann nochmal ausgezogen am Rand notiert (man könnte also auch einfach blättern und auf diese Sachbegriffe achten). Man kann nicht ganz sicher sein, dass nicht noch weitere Hexenfälle in den Protokollen vorkommen, die im Register fehlen, aber eine große Hilfe sind diese Register auf jeden Fall.

„Ochßenfurther hexerey sachen betreffend“ zwischen „obleyschreibers relation“ und dem Organistendienst in Ochsenfurt im Register des Protokollbandes zum Jahr 1618.


Was erfahren wir also aus den Protokollen über die Hexenprozesse in Ochsenfurt? 1617 kam es zu drei Inhaftierungen. Ausgangspunkt waren Aussagen eines Mädchens, dessen Alter nicht genannt wird: „Babel“, Tochter von Simon Pleidner. Die „Pleidnerin“ wurde selbst inhaftiert. Ihre Aussagen führten zu zwei weiteren Festnahmen: der Ochsenfurter Amme, Witwe von Jacob Frank (den Vornamen erfahren wir nicht) und von Christina Glückhard (aus Münnerstadt, arbeitet als Magd bei der Ochsenwirtin). Zwischen den beiden letztgenannten Frauen gab es eine Verbindung: Der Sohn der Amme sollte Frau Glückhardt geschwängert haben. Mehr zu Christina Glückhard im Domkapitelsprotokoll (im April 1617 ist sie wegen Kindsmords in Haft).

Mit der Amme Frau Frank kommt in diesem Blog erstmals die Angehörige einer Berufsgruppe vor, die gemeinhin als Hauptbetroffene der Hexenprozesse gilt. Von ihr gibt es ein Geständnis. Das Domkapitel behandelte den Fall im Oktober 1617:

Im Stadtarchiv Würzburg, Ratsbuch 409, findet sich weitere Überlieferung zum Verfahren gegen die Amme. Darunter auch ein Katalog der Fragen, die ihr im Verhör gestellt wurden. Und hier tatsächlich als Frage Nr. 6: Was weiß sie von Arzneien aus Kräutern und Wurzeln? Als Verhörfrage in den Würzburger Prozessen ist mir dies sonst kaum untergekommen. Aber auch die eher üblichen Fragen werden der Amme gestellt: Wie viele Kinder, Vieh und Frucht hat sie verderbt (Frage 58)? Hat sie das heilige Sakrament verderbt (Frage 59)? Und mehrere Fragen drehen sich um ihr Verhältnis zu Frau Gückhard (und um deren Verhältnis mit ihrem Sohn).

Oberes Tor in Ochsenfurt. Vorlage: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege via bavarikon.

Die Pleidnerin beschuldigte noch eine weitere Frau: Dorothea Pfeuffer, die Frau des Verwalters der Besitzungen von Stift Haug in Ochsenfurt. Sicherlich eine wohlhabende Frau und ein prominentes Mitglied der Stadtgesellschaft: Sie dürfte Witwe oder Tochter von Johann Prösamer gewesen sein, der als Verwalter der Besitzungen von Stift Haug genannt wird, und heiratete dann Georg Pfeuffer, der lateinischer Schulmeister in Ochsenfurt war, bevor er den Posten des Verwalters von Stift Haug in Ochsenfurt übernahm (siehe Kestler, Ochsenfurt, 1845, S. 164). Mehr zur „Prösamerin“ im Domkapitelsprotokoll 1618 fol. 101vff (nach 102r scheint mir ein Scanfehler vorzuliegen, es geht weiter mit 112v).

Am 14. Oktober erscheint die Amme das nächste Mal im Protokoll. Ochsenfurt will wissen, wie es mit ihr weitergehen soll, und das Domkapitel beschließt: Juristen sollen entscheiden.

Die zwei inhaftierten Frauen kamen im Jahr 1618 frei, das Mädchen – die Pleidnerin – im Jahr 1619. Frau Glückhard wurde im Juni 1618 auf Befehl des Domdekans aus der Haft entlassen und zugleich aus der Stadt gewiesen (Konzept in StadtAW, Ratsbuch 409). Zu den Vorwürfen gegen sie war unterdessen Unzucht mit dem Stadtknecht hinzugekommen. Zur Freilassung der Amme steht im Domkapitelsprotokoll:

Das Pleidner-Mädchen wurde vermutlich nicht, wie hier vom Domkapitel angedacht, im Juliusspital untergebracht (das war der übliche Unterbringungsort für Hexenkinder), sondern im Ochsenfurter Armenspital. Im Februar 1619 meldete Ochsenfurt ans Domkapitel, Johann Eichhorn aus Frickenhausen sei bereit, sie als Magd aufzunehmen. Das Domkapitel stimmte zu (StadtAW, Ratsbuch 409) – der ganz seltene Fall, dass wir eine Resozialisierung nach Hexereianklage beobachten können.

Zehn Jahre später, in der Prozesswelle 1626/29, kam es in Ochsenfurt erneut zu Hexenprozessen. Die Welle begann mit einem Tumult der Ochsenfurter Bürger, die nach Nachtfrost im April 1627 von der Obrigkeit verlangten, sie vor den Hexen zu beschützen. Im Domkapitelsprotokoll heißt es dazu:

Zuerst publiziert 5.3.2024.

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