Urgichten (finale Geständnisse) deren zu Heidenfeldt liegenden hexen mit nahmen Schefers Dörlein, schultheißen Hansen Dörlein, Marget, Wendels Clausen .. dochter, dan Michelein, Jörg Götzen stiffsohn, alle zu Erlenbach den 11. Martii anno et cetera 1634. Aus: Staatsarchiv Wertheim, G-Rep. 58 Nr. 123
Der bei Marktheidenfeld liegende Ort Erlenbach ist uns bereits begegnet: Das 12 Jahre alte Margretlein, das sich 1616 selbst der Hexerei bezichtigt hatte, stammte aus dem Ort (siehe hier). Im Herbst 1616 gab es in Erlenbach eine Untersuchung über „beschreite persone im hexenwerck“. Der Zentgraf befragte offenbar sämtliche Haushaltsvorstände über ihnen bekannte Hexereibeschuldigungen. 15 der 62 Befragten gaben zwischen ein und vier Personen als verdächtig an, immer wieder wurde „Lohe Cunze frau“ genannt.
In Erlenbach gab es auch in der Prozesswelle 1626/29 Verfahren, die im Jahr 1629 zu 21 Hinrichtungen führten. Der Ort war also massiv betroffen. Zu diesen Verfahren gibt es keinerlei Aktenmaterial. Die Namen der Opfer sind ausschließlich aus Eintragungen des Pfarrers in der Erlenbacher Totenmatrikel bekannt. Für Franken ist dies sehr ungewöhnlich; lediglich für Arnstein 1627 sind mir ähnliche Eintragungen bekannt, punktuelle Erwähnungen gibt es im Kirchenbuch der Würzburger Dompfarrei ebenfalls zum Jahr 1627. (Die Kirchenbücher der Gemeinden der Diözese Würzburg sind sämtlich digitalisiert, man kann die Digitalisate aber nur im Lesesaal des Diözesanarchivs einsehen (hier die Beständeübersicht; wichtig für die Geschichte der Hexen in Würzburg ist der Bestand „Hexenprozesse gegen Geistliche“.))
Die Einträge machen deutlich, dass die Benutzung dieser Kirchenbücher nicht ohne Schwierigkeiten ist. Die Namensschreibweisen variieren, Nachnamen werden bisweilen gar nicht genannt, die – nun ausnahmslos studierten – Pfarrer stellten ihre Gelehrsamkeit durch den Einsatz von Latein unter Beweis.
In Erlenbach spürte man in den folgenden Jahren den Gang der großen Geschichte. Im Herbst 1631 eroberten die Schweden Unterfranken, Fürstbischof Franz von Hatzfeld ging nach Köln ins Exil, im Februar 1632 kam Erlenbach (zusammen mit Amt und Zent Remlingen) wieder an die Grafen von Löwenstein-Wertheim, denen der Ort bis 1612 unterstanden hatte. (Siehe dazu StAWt-G Rep. 12a/1 1632 Februar 28 und StAWt-F US 1 Nr. 65a – erstaunlich, wie antiquiert ein schwarz-weiß Urkundendigitalisat aus den 1990er Jahren heute wirkt.) Der katholische Pfarrer wurde durch einen evangelischen ersetzt. Gerhard Ramsler hatte in Tübingen studiert. Die Hexengerüchte im Ort scheinen die ganze Zeit gebrodelt zu haben. Im August des Jahres 1634 kam es wieder zu Hinrichtungen wegen Hexerei. Wie sein katholischer Vorgänger hielt sie auch Ramsler im Kirchenbuch fest. Ramsler macht es uns einfacher: Er schreibt deutsch.
Anders als zu 1629 gibt es zu diesen Prozessen auch umfangreiches Aktenmaterial (StAWt-G Rep. 58 Nr. 123, Rep. 102 Nr. 4512 und Nr. 5312). Die Wertheimer Kanzlei versuchte sich zu informieren, was bei den Prozessen der Vorjahre in Erlenbach passiert war, aber in Remlingen waren keine Unterlagen mehr vorhanden. Die folgende Quelle besteht aus Fragen der Kanzlei zu den Verfahren und Antworten der Remlinger Amtleute (die hellere Tinte links). Die Wertheimer hielten es für möglich, dass Unterlagen von den Würzburger Amtleuten vernichtet worden waren („verschleicht“ heißt es in der Quelle).
Die Wertheimer führten 1633/34 auch in ihrer Residenzstadt und im nur wenige Kilometer von Erlenbach entfernten Unterwittbach Hexenprozesse, die mit Hinrichtungen endeten.
Was folgt aus den Erlenbacher Verfahren? Ganz knapp gesagt: Obrigkeit und Konfession wechselten, die Hexenprozesse gingen weiter. Der Würzburger Fürstbischof war im Exil und fällt als verfolgungstreibendes Element aus. Auch das immer wieder vorgetragene Argument, erst das Vordringen der Schweden habe die Hexenprozesse in Unterfranken beendet, macht wenig Sinn. In Erlenbach gingen sie weiter.
Zum Abschluss hier noch eine Aussage des Erlenbacher Schultheißen Klaus Liebler, der im August hingerichtet wurde. Dies als Ergänzung zur oben vorgetragenen Schultheißinnenthese, die man mit Blick auf Liebler auch gendern könnte. Liebler betont in dieser Aussage einen eigenartigen Aspekt: Wenn noch mehr Männer als Hexer eingezogen werden, will er gerne sterben, aber nicht als einziger.
Am 8. Juli ließ Schultheiß Liebler der Kanzlei durch einen seiner Wächter noch Namen von Männern übermitteln, die er als Hexer bezeichnete: den Marketender Weeth Enderle, Klaus Wendel und das Mühlmännlein.
Zuerst publiziert 20.2.2024.
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