Pasquille, Schmähungen, Denunziationen: Über eine ungewöhnliche Quellengruppe

Pasquill gegen Hofmetzger Hans Stark mit Richtschwert und Scheiterhaufen. Aus: Staatsarchiv Wertheim, G-Rep. 102 Nr. 737

Anonyme Schreiben, in denen jemand der Hexerei bezichtigt wurde, nennt man Pasquille (Literatur: Schwerhoff 2021). Überliefert sind sie nicht allzu häufig, aber einige Beispiele aus der Region gibt es doch. Diese Schreiben sind auch deswegen interessant, weil sie nicht dafür gedacht waren, aufgehoben zu werden. Hier schreiben Leute, die sonst nichts schrieben, und der Zweck war, den Bezichtigten zu drohen, sie zu schmähen und ihre Ehre zu verletzen. Im ersten Pasquill, das ich zeigen will,

ging es gegen den Wertheimer Hofmetzger Hans Stark. Über ihn heißt es auf einem Zettel, den jemand an die Tür der Wertheimer Stiftskirche geheftet hatte: „Hans Stark bin ich genannt / zu Wertheim bin ich wol bekannt / ein Metzger bin ich / das Hexenwerk treib ich / …“

Der mündliche Duktus des Schreibens macht es schwer verständlich. Klar scheint aber, dass es vor allem um Neid auf Status und Geld des Hofmetzgers geht. Der Schreiber (oder die Schreiberin) benutzte hier sowohl das lateinische wie das deutsche Alphabet – der Text klingt mündlich, aber sein Verfasser kannte sich mit dem Schreiben aus.

Gegen den Hofmetzger gab es bereits im Sommer 1628 Hexereibezichtigungen, gegen die er sich mit Verleumdungsklagen zur Wehr setzte (Link zur Akte im Staatsarchiv Wertheim mit den Unterlagen zu Hans Stark). Hans Stark war ein schwerreicher Mann, wovon noch heute sein Haus am Wertheimer Neuplatz kündet. Er war wohl auch als Geldverleiher tätig gewesen. 1627 gab es Vorwürfe gegen ihn im Rahmen einer grassierenden Viehseuche. Im November 1628 starb überraschend sein Sohn, weshalb die Kanzlei ihm wegen Pestverdachts für einige Monate Berufsverbot erteilte. Im Herbst 1628 tauchten weitere Pasquille auf, eines davon fand Stark an seiner Fleischbank auf dem Markt.

Wer sich für Hans Stark interessiert: Seine Geschichte ist aus Archivalien dokumentiert in meinem Buch „Wertheim 1628“. An verschiedenen Stellen im Archiv haben sich verblüffend viele Informationen erhalten.

Hans Stark gehörte zu denjenigen Wertheimern, die im Februar 1629 inhaftiert wurden (Verhörprotokolle). (Wir haben es hier also nicht mit Würzburger Verfahren zu tun, sondern mit solchen aus dem Nachbarterritorium Grafschaft Wertheim.) In dem Verfahren gegen ihn waren weitere Vorwürfe Hurerei sowie Blutschande mit seiner Mutter. Mutter und Sohn wurden am 6. Mai hingerichtet. So ist es jedenfalls in einem Notizbüchlein vermerkt:

„Anno 1629 den 14. Februarii haben meine gnedigen herrn einen anfang gemacht die hexen einzuziehen … .“ Als Nummern 4 und 5: Johan Stark und seine Mutter. Bei beiden ist vermerkt: „den 6. Maei verbrandt“. Aus: StAWt-G Rep. 102 Nr. 750

Ein weiteres Pasquill mit Hexereibezichtigungen aus Wertheim stammt aus dem September 1629. Auch dieses hatte jemand an die Tür der Stiftskirche geheftet, offenbar der akzeptierte Publikationsort für solche Schmähungen. (Im Archivportal-D bringt „Pasquill“ 266 Treffer (Stand 10.2.24). Beim Durchscrollen sieht man, dass Kirchenportale auch anderswo zum Anbringen von Schmähschriften genutzt wurden.)

Die Wertheimer Verwaltung betrieb enormen Aufwand, um den Urheber zu finden (man befragte sämtliche Einwohner nach Zünften, zur Akte), und war damit schließlich erfolgreich. Verantwortlich war der Wertheimer Kramhändler Georg Kaltdorf. Während der Untersuchungen flüchtete er (wenn ich mich recht erinnere, nach Nürnberg), kam dann aber zurück und wurde nach kurzer Haft freigelassen. Ein zweiter namentlich bekannter Verfasser von Pasquillen war Barbier (zur Akte)- es waren Leute aus dem Volk, die hier aktiv wurden.

Auch Georg Kaltdorf benutzte für sein Pasquill das uns heute geläufige, lateinische Alphabet. Damals war das ungewöhnlich. Im Verwaltungsbereich kamen lateinische Buchstaben meist nur zum Einsatz, wenn man einzelne Worte (gerne lateinische) besonders auszeichnen wollte.

Auch in der Würzburger Überlieferung hat sich ein Paquill erhalten. Es stammt aus Ochsenfurt, das bis 1803 eine Stadt des Domkapitels mit eigenem Zentgericht war. Die Ochsenfurter Verfahren sind außerordentlich gut dokumentiert, weil es Protokollserien von Zentgericht, Stadtrat und Domkapitel gibt (mehr dazu in einem Aufsatz von mir in den WDGB 2019).

In Ochsenfurt kam es im Frühjahr 1618 zu Hexereigerüchten. Zwei Frauen bezeichneten sich gegenseitig als Hexen und prügelten sich am Brunnen, ein Mädchen wurde inhaftiert. Die Frau von Hans Zobel stand im Ruf, diesem Mädchen die Hexerei beigebracht zu haben. An ihrer Tür fand sich eines Morgens ein Famos-Zettel oder Pasquill, in dem sie als Hexe bezeichnet wurde. Ermittlungen ergaben, wer den Zettel verfasst und nachts an ihre Tür geklebt hatte. Frau Zobel saß eine zeitlang in Haft, wurde dann aber freigelassen.

Auch das Original dieses Schreibens hat sich erhalten. Es liegt heute in einer Zusammenstellung von Hexereisachen mit dem irreführenden Namen Ratsbuch 409 im Stadtarchiv Würzburg. Es gelang damals, den Urheber des Pasquills in Ochsenfurt zu ermitteln. Martin Junger wurde inhaftiert. In der Akte im Stadtarchiv befindet sich eine Bittschrift von ihm ans Domkapitel: Das Geschwätz der Frau von Hans Zobel dem Älteren habe seiner Familie schon viel geschadet. Deshalb habe er nächtens den Zettel angebracht. Er habe damit aber nichts Böses tun wollen.

Tatsächlich scheint die Sache für Frau Zobel gut ausgegangen zu sein. Aus 1618 sind in Ochsenfurt keine Hinrichtungen bekannt; in der schweren Würzburger Prozesswelle von 1627/29 gab es dann zwei Opfer.

Zuerst publiziert 10.2.24

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