Neubrunn im Jahr 1612. Zur Bewertung der Rolle von Fürstbischof Julius Echter Teil II

Schreiben an Zentgraf Johann Müller aus der Akte StAWt-G Rep. 58 Nr. 114. Charakteristisch für diese Akte ist die Fehlstelle oben links – vielleicht war hier eine Maus am Werk.

Was bisher geschah: In Neubrunn gab es im Juni 1612 Hexereiverdächtige. Festgenommen und nach Remlingen gebracht wurde die alte Schultheißin Margret Vay. Sie starb im August in der Haft, vermutlich an den Folgen der Folter.

Über den Tod hatte der Remlinger Amtmann nach Würzburg berichtet. Am 30. August formulierte die Würzburger Kanzlei (oder Julius Echter) ein erstes Schreiben nach Remlingen: Der Amtmann sollte sich um die Hinterlassenschaft kümmern und mit den Erben Kontakt aufnehmen. Dabei ging es auch darum, die Haftkosten zu begleichen. (Im Betreff ist dies als „aczt“ bezeichnet, heutige Schreibweise: Atz, ein historisch schillernder Begriff zu Unterbringungskosten.)

Unterdessen war in Würzburg ein anderes Schreiben in dieser Angelegenheit eingegangen. Verfasst hatte es die Gemeinde Neubrunn am 28. August, adressiert war es an Julius Echter.

Neunbrunner bitten zum aller Höchsten mit einziehung der uberigen des zauberey lasters verdächtigen personen weiter fortzufahren. (StAWt-G Rep. 102 Nr. 6561)

Es handelt sich um eine so genannte Supplik, also eine Bittschrift, wobei sämtliche Schreiben von Untertanen oder Gemeinden an den Landesherren als Suppliken bezeichnet werden. (Wir hatten hier bereits eine Supplik der Gemeinde Erlenbach, die 1616 verhindern wollte, dass das Margretlein wieder nach Hause kam.) Dergleichen war nichts Ungewöhnliches, und auch in diesem Schreiben wird ausdrücklich erwähnt, dass die Gemeinde bereits zuvor an Echter geschrieben hatte.

Der Inhalt ist dennoch überraschend: Die Gemeinde forderte Echter auf, mit den Hexenprozessen in Neubrunn weiter zu machen. Der Sohn von Martin Speyer berichte von Hexentänzen, heißt es im Text. Die alte Schultheißin sei zwar tot, aber es gebe weitere Hexen im Dorf. Die Gemeinde nennt Namen: Frau und Tochter Bastian Wolz, Frau und Tochter Martin Klug, Frau Fritz Spiess (die Tochter der Schultheißin), Frau Hans Behm. Und sie verlangt von Echter, diese mit „aller Schärfe anzugreifen“, also zu foltern.

Aufmerksam machen möchte ich noch auf den Lagerungsort des Schreibens: Es befindet sich im Staatsarchiv Wertheim, gehört also zur Überlieferung (Provenienz) von Amt und Zent Remlingen. Und das, obwohl die Neubrunner eindeutig an den Fürstbischof geschrieben hatten. Aber Echter schickte das Schreiben weiter nach Remlingen. Das ist deswegen wichtig, weil aus (Unter-)Franken lange kaum Suppliken dieser in anderen Regionen gängigen Art bekannt waren. Man hat das als Argument dafür genommen, dass die fränkischen Hexenprozesse anders als andere gewesen seien, nämlich „von oben“ inszeniert. Das Argument ist, denke ich, keins: Wenn diese Eingaben so wie hier an die Ämter weitergegeben wurden, sind sie eben mit deren Überlieferung untergegangen.

Die Angabe bei Birke Grieshammer, dergleichen Eingaben habe es in Franken nicht gegeben, trifft jedenfalls nicht zu (http://www.hexen-franken.de/nachwort/ hier Punkt 7).

Wer formulierte in den Dörfern solche Eingaben? Das ist eine offene Frage. Die Supplik steckt voll theologischen und juristischen Wissens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies in Neubrunn ohne externen Sachverstand geschrieben worden sein sollte, auch Schulmeister und Pfarrer dürften dazu kaum in der Lage gewesen sein. (Zumal der Pfarrer, wie sich noch zeigen wird, nicht auf der Seite der Verfolgungsbefürworter stand.) Aber wer sonst? Waren Würzburger Juristen auf dem Land unterwegs, auf der Suche nach einem Geschäftsfeld? Oder gab es dafür gedruckte Vorlagen? Offene Fragen, wie gesagt.

Zu der nach Remlingen geschickten Supplik hat sich sogar Echters Begleitschreiben erhalten. Ihm können wir entnehmen, wie es weitergehen sollte:

Die Remlinger Amtleute sollen sich von den Neubrunnern die Indizien gegen die von ihnen beschuldigten Personen übergeben lassen, diese dann nach Würzburg schicken und weitere Befehle abwarten.

Den Hut in diesem Verfahren hatte, so scheint es, Würzburg auf. Was dann tatsächlich geschah, darüber mehr im nächsten Post.

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