Hexentänze in Würzburg und auf dem Land

(Detail einer Hexensabbat-Darstellung. Vorlage: Witchcraft-Collection der Universität Cornell, dort beschrieben mit: „Hexensabbat in Trier. Erfurt 1593? Presumed to be in the public domain“. Das Bild im Ganzen)

Die Vorstellung, Hexen hätte sich auf Tänzen getroffen, gehört zum Kernbestand des kumulativen Hexereidelikts, seitdem es um 1420 in Savoyen erstmals juristisch verfolgt wurde. (Dessen Elemente: Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Flug durch die Luft, Besuch einer Hexenversammlung,

Schadenszauber. Siehe dazu etwa Behringer 2019:36.) In einer breiter ausgemalten Variante flogen die Hexen auf Gabeln oder Besen zum Hexensabbat, der orgiastischen Charakter hatte. Die Vorstellung von der nächtlichen Ausfahrt gab es seit dem Frühmittelalter, und seitdem gab es auch eine Debatte, ob dergleichen überhaupt sein könne. Der Canon episcopi, für Jahrhunderte maßgeblich für die Haltung der katholischen Kirche, lehnte diese Vorstellung ab. Daran zu glauben bedeute, einer Vorspiegelung des Teufels aufzusitzen.

(Detail einer Hexensabbat-Darstellung. Vorlage: Witchcraft-Collection der Universität Cornell, dort beschrieben mit: “Hexensabbat in Trier. Erfurt 1593? Presumed to be in the public domain “. Das Bild im Ganzen)


Aber es gab auch andere Meinungen. Heinrich Kramer befasste sich in seinem „Hexenhammer“ (zuerst 1487, hier eine lateinische Ausgabe) ausführlich mit dem Hexenflug. Und für die Imagination der Künstler sind Hexenflug und Hexenversammlung im Fackelschein bis heute prägend – die Ausstellung im Kulturspeicher bietet genügend Anschauungsmaterial.

Hier das Kapitel von Heinrich Kramers „Hexenhammer“ über den Hexenflug zum Hexensabbat aus der maßgeblichen deutschen Übersetzung (Behringer/Jerouschek/ Tschacher, 3. Aufl. München 2003)

Bei den Hexentänzen konstituierten die Hexen sich als Gruppe. Das war wichtig, um ihre Gefährlichkeit konstruieren zu können. So konnte man sagen, eine Verschwörung sei in Gang und die Bekämpfung dieser im Geheimen agierenden Gruppe fordern. Zum Ziel wurde nun, das Übel der Hexerei auszurotten, wie es in den Quellen immer wieder heißt.

Wo trafen sich die Hexen in Unterfranken? Die Treffen blieben meist lokal. Man traf sich an markanten Landschaftspunkten (wie dem Marktheidenfelder Dillberg), auch Dorflinden waren beliebt (so in Dingolshausen und Alitzheim), in Rimbach tanzte man beim Rathaus, in Schweinfurt rund um die Kirche, in Gerolzhofen und Prichsenstadt auf dem Marktplatz. Für die Stadt Würzburg werden als Tanzplätze genannt: der Nikolausberg (hinter dem damals noch nicht existierenden Käppele), der Schalksberg (zwischen Steinberg und Grombühl) und in der Stadt Sanderrasen und Rennweg.

Deckblatt der Akte Staatsarchiv Würzburg, Historischer Saal 377 (daraus die weiter unten folgende Quelle). Im 19. Jahrhundert hieß das Archiv “Königliches Kreisarchiv”.

Bei allen diesen Aussagen zu Hexentänzen muss man sich klarmachen, dass sie in der Regel unter der Folter gemacht wurden. Das heißt: Es musste etwas gesagt werden, es musste eine Szene geschildert oder ein Bild beschrieben werden. Geschildert werden dann ländliche Feste mit Musik, Essen, Trinken, Tanzen und manchmal Sex. Anwesend waren meist die Buhlen der Hexen, die man sich als eine Art persönliche Kleinteufel vorstellen kann. Manchmal nahm auch der große Oberteufel teil und führte Regie.

Das Bildhafte dieser Darstellungen ist hochinteressant. Kaum ein anderes Delikt wurde so häufig medial dargestellt, und das dürfte zur Verbreitung des Wissens über die Hexerei nicht unwesentlich beigetragen haben. Vielleicht kann man in dieser Bildhaftigkeit sogar eine Voraussetzung für die Ausbreitung der Prozesswellen sehen (die ja wesentlich darauf beruhte, dass unter der Folter Namen von anderen Teilnehmern an einem Hexentanz genannt wurden).

Im Hochstift Würzburg außergewöhnlich waren die Schilderungen der Hexentänze im Zentgericht Gerolzhofen. Sie tragen Züge des Teufelskultes: der Teufel organisiert das Geschehen, ihm wird gehuldigt. Vermutlich gingen diese Schilderungen vom Gerolzhöfer Zentgrafen Valentin Hausherr aus. Er scheint in der einschlägigen dämonologischen Literatur bewandert gewesen zu sein (ein Beispiel: Martin Delrio), vielleicht besaß er auch nur entsprechende Abbildungen.

Titelblatt eines verbreiteten dämonologischen Traktats von Martin Delrio, hier eine Ausgabe von 1604 (Münchner Digitalisierungszentrum).

Beim Lesen der Verhörprotokolle aus Gerolzhofen habe ich seit Jahren den Verdacht, Hausherr habe hier eine ihm vorliegende Bildquelle sprachlich umgesetzt, also in gewisser Weise in die Realität überführt. (Gefunden habe ich diese Darstellung noch nicht.) Zu Gerolzhofen mehr im nächsten Blogpost.

Wie stellte man sich in Würzburg die Hexentänze vor? Dazu Schilderungen aus einem Verhörprotokoll vom Oktober 1628, also mitten aus der schwersten Prozesswelle. Es handelt sich um eine der relativ wenigen erhaltenen Justizquellen aus diesen Jahren.

Der Beginn des Verhörs von Hans Nuss: Links die Anwesenden (Praesentes: herrn Dr. Fabritio, herrn Lachmann, herrn Geltman und mein protocollistens), rechts der Text: Donnerstags den 26. Octobris anno 1628 ist Hannß Jacob Nueß von Fulda außm Julierspital dahier der bekanthen und verdechtigen hexerei halb vorgefordert und alhiero in dem neuen hauß vor dem Steffaner thor gehört worden, bei die 12 jharen. (StAW, Hist. Saal 377 fol. 119r)

Hans Jacob Nuss, ein 12jähriger Junge, der wohl aus Fulda stammte, lebte im Juliusspital (der Grund dafür wird nicht klar, es sieht aber nicht so aus, als sei er wegen der Hexerei ins Spital gekommen). Das Verhör führen Dr. Johann Wilhelm Fabritius, Petrus Geltmann und Konrad Lachmann.1 Wir erfahren sogar den Ort des Verhörs: im neuen Haus vor dem Stefanstor. Ich würde dahinter das Haus neben dem Hexenturm vermuten , das auch an anderen Stellen als Ort für Verhöre belegt ist.
Hans Jacob Nuss ist von mehreren Personen der Hexerei bezichtigt worden, weist aber in diesem Verhör zunächst jeden Verdacht von sich: „gibt er zur antwortt, er seye es nitt“ heißt es fol. 119r. Dabei bleibt er trotz Ermahnungen. Daraufhin wird er gefoltert: „Darauff er uber den stuel gebunden und uf die etliche 60 ruttenstreich empfangen.“ (119v) Auch dies nutzt zunächst nichts, aber nach weiteren „Rutenstreichen“ liefert der Junge das erwünschte Geständnis.

Das Verhör wird am nächsten Tag fortgesetzt. Nun geht es auch um die Hexentänze. Nuss schildert seine erste Hexenfahrt: Der Teufel holt ihn in der Nacht ab, er muss sein Agnus Dei und den Rosenkranz ablegen, sie gehen ins „kinderhauß“ des Spitals, der Teufel gibt ihm einen Stecken und damit fahren sie durch den Schlot hinaus und auf den „Gleeßberg“, also den Nikolausberg. Dort gibt es ein Gelage mit Hammelschlegeln, Vögeln und Wein. Man trinkt aus goldenen Bechern. Allzu viel Erfahrung mit großen Feiern scheint der junge Nuss nicht gehabt zu haben. Zu berichten weiß er noch, man habe sich nicht zugeprostet. Nach dem Essen wird getanzt. Dann verwandelt sich „der boes“, also der Teufel, in einen Bock, dem die anderen den Hintern küssen müssen. Auf die Frage, wie er das alles habe sehen können, antwortet Nuss, es sei ganz hell und feurig gewesen. Zum Besuch der Hexentänze ist er um Mitternacht aufgebrochen und war um zwei wieder zurück.
Nach dem Tanz kommt der Geschlechtsverkehr, „coitus“ ist am Rand vermerkt. Der Teufel teilt die Paare ein, Nuss weist er die Anna Marie zu, die er aus dem Juliusspital kennt.
Die Hexentänze fanden, so hält es das Protokoll fest, meist am Freitag statt sowie an hohen Marienfesttagen. Am vergangenen Freitag war Nuss auf dem Schalksberg.

Der Schalksberg im wuerzburgwiki.

Auch der Sanderrasen wird als Tanzplatz genannt, der Hinrichtungsort („do die execution geschicht“). Auf dem Sanderrasen ist Nuss auch vom Teufel getauft worden (123v).
Am 30. Oktober wird Nuss nochmals verhört und nach Komplizen befragt. Er nennt vor allem Namen von Menschen, die er aus dem Spital kennt.
Am 7. November 1628 sprechen die Stadtgerichts-Assessoren einstimmig das Urteil: Wenn Nuss bei diesen Aussagen bleibt, soll er mit dem Schwert gerichtet und der Körper zu Asche verbrannt werden.
Am 8. November wird er nochmals verhört und der Tag der Hinrichtung für den 10. November angesetzt. Der letzte Eintrag lautet:

Links werden wieder die Anwesenden genannt (Dr. Fabritius, Dr. Schilling und der Malefizschreiber). Text rechts: Mittwoch den 8. Novembris 1628 hat man diesen jungen erfordert, ihne zum uberfluß nochmals reassumirt und darauf freitag den 10. Novembris den rechtstag angesetzt, hat er mit weinenden augen umb gnaden und ihme das leben zu schenckhen höchlich gebetten, woll von diesem laster abstehen und sich hinfür beßern. (StAW, Hist. Saal 377 fol. 126r)
  1. Fabritius ist bei Reuschling als Würzburger Hofrat seit 1626 nachgewiesen. Lachmann und Geltmann dürften Würzburger Bürger sein; sie werden im Protokoll des Stadtgerichts (StAW, Roessner 1421) zum Jahr 1626 als Assessoren aufgeführt. ↩︎

Zuerst veröffentlicht am 11.11.2023.

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