Der letzte Post endete mit Frau Müllers unter der Folter erzwungenem Geständnis, eine Hexe zu sein. Am 1. Oktober berichtete sie von Gabelfahrten mit der Binzing, von Buhlschaft (also Geschlechtsverkehr) mit ihrem Teufel (der Heinz hieß), von Gottesabsage – alles harte Indizien im Hexenprozess. Später widerrief sie alles. Das wiederholte sich: Folter, Geständnis, Widerruf. Schließlich hält das Protokoll die Aussage fest: „Man thue ir unrecht, man soll nachfragen, es werde sich anderst befinden, die tortur bring sie darzu.“ (126r)
Geständnisse waren damals entscheidend, weil es ohne Geständnis keine Verurteilung gab. Ob und wann man nach einem Widerruf erneut foltern konnte, war umstritten. Weitere Verhörprotokolle sind bislang nicht bekannt. Dennoch weiß man, wie das Verfahren ausging: Anna Müller wurde freigelassen. Auch Anna Binzing, die wohl nichts gestanden hatte, kam frei. Wir wissen dies aus folgender Notiz auf einem Protokoll mit Aussagen des „maidleins“ vom 9. Dezember, das sich ebenfalls in dieser Akte befindet (StAW, Hist. Saal 374 fol. 159–183).
Das Mädchen wurde als Denunziantin mit Landesverweis bestraft, es musste also das Territorium des Hochstifts Würzburg verlassen – eine harte Strafe. Anna Müller und Anna Binzing dagegen wurden gegen Urfehde freigelassen (das war eine Art Versprechen, sich nicht für die Haft zu rächen). Die Urfehde der Anna Müller scheint sogar überliefert zu sein. Irgendwann habe ich mir notiert, dass sich eine solche im Akt StAW, Gericht Gerolzhofen 14/346 fol. 1–4 befindet (ein Jahr habe ich leider nicht dazu notiert und kann das jetzt auch nicht überprüfen).
Nun noch einige Beobachtungen zum Verhör von Frau Müller. Zum einen ihre Aussage: „Erbeut sich erstlich: man soll ihr 2 menner uff ihren costen zugeben, die sie nach Windßheim verglaitten, wöll sie laßen besichtigen, wann sie aine sey, soll man ir leib und leben nehmen.“ Hier geht es um Hexenmale wie Warzen und dunkle Stellen auf der Haut, die als Zeichen des Teufels galten. Frau Müller möchte dies nutzen, um ihre Unschuld zu beweisen. In Würzburg gab es aber offenbar dafür keinen Experten, weshalb sie die Kosten für eine Reise nach Windsheim, wo sie einen Fachmann vermutete, selbst übernehmen wollte. In Würzburg waren auch in späteren Jahren Fragen nach Hexenmalen und entsprechende Untersuchungen selten.
Dann das Personal, das die Untersuchungen führte. Diese begannen, wie gesagt, ausschließlich mit Würzburger Hofräten und dem Hofschultheißen. Beim Verhör des Mädchens im Dezember waren dann mit Leonhard Hegwein, Veit Falk und Hans Then neben dem Hofschultheißen drei Männer anwesend, die nicht zum Personal des Fürstbischofs gehörten, sondern sich als bürgerliche Schöffen am Stadtgericht nachweisen lassen (dazu StAW, Standbuch 796). Welches Gericht war hier tätig? Dazu später mehr.
Festgehalten werden muss, dass keiner der drei Fälle mit Hinrichtung endete. Frau Müller und Frau Binzing wurden sogar freigelassen. In welchem gesundheitlichen Zustand sie sich befanden, wissen wir freilich nicht.
Ein weiterer Fall aus dem Herbst 1596 endete ebenfalls mit Freilassung. Auch Margaretha Unger aus Iphofen war zum Verfahren nach Würzburg gebracht worden. Die Frau ihres Nachbarn Lorenz Diehm war im Kindbett gestorben, nachdem Frau Unger sie besucht hatte. Der Verdacht: Tödlicher Schadenszauber. Josef Endres resümiert:
“Nach einer Gegenüberstellung beider Parteien erkannte das Gericht in Würzburg die Haltlosigkeit der Hexereivorwürfe gegen Margaretha Unger: Es handle sich um bloße Vermutungen, die allein auf Hörensagen beruhten. Die Beschuldigte wurde darauf hingewiesen, “daß sie sich hinfurter aller segen zu vermeidung allerlei verdachts gänzlich” enthalten solle. Nachdem sie Urfehde geschworen hatte, wurde sie aus der Haft entlassen.
Bischof Julius Echter ermahnte die Beamten in Iphofen nachdrücklich, Vorverurteilungen in Zukunft zu unterlassen, auf das “gemeine geschrai” nichts zu geben, sondern “ehe ir dis für ein gewißes an uns berichtet, uff bessern grund kummen sein sollet”. Weiterhin ordnete der Bischof an: “Ir wöllet sie daselbst in unserer statt Iphouen bei dem ihrigen wider unangefochten bleiben und wohnen laßen”. Diese Formulierung macht deutlich, dass dem Stadtherrn bewusst war, welche Probleme auf Margaretha Unger zukamen, die zwar in ihr Häuschen zurückkehren durfte, aber täglich den Nachbarn begegnete, die sie in ihrem engen, magischen Denken bedenkenlos dem Feuertod überantwortet hätten.”
Josef Endres, “Mit dem feuer vom leben zum tode gebracht”. Hexenprozesse in Iphofen, in: Knauf Museum Iphofen, Hexenwahn in Franken, Dettelbach 2014, 98-133, Zitat S. 107. Unterlagen zum Prozess gegen Frau Unger befinden sich in: Stadtarchiv Würzburg, Ratsbuch 409. Verhöre fanden im Oktober und November 1596 statt.
Bleibt noch die Sache mit dem Volkacher Drachen. Dazu mehr am nächsten Sonntag (22.10.).
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